Im Frühjahr neigen viele Menschen dazu, einen entsprechenden Frühjahrsputz zu veranstalten.
Ok. Das sind vermutlich eher Menschen älterer Jahrgänge. Der Frühjahrsputz ist wohl mehr ein Überbleibsel aus der Zeit, wo das sog. „alternative Frauenbild“, also die „nur Hausfrau“ der Standard, denn die Ausnahme darstellte. Und aus diesem Grund ändere ich den Eingangssatz besser ab: Im Frühjahr neigten viele Menschen dazu, einen entsprechenden Frühjahrsputz zu veranstalten.
Doch im Grunde hängt es damit zusammen, dass es bei den damals üblichen Kohleheizungen nicht nur sinnvoll, sondern auch angesagt war, zu lüften und ordentlich sauber zu machen.
Durch den Fortfall dieser Tätigkeiten haben wir „heute“ allerdings auch keine „äußeren“ Anreize mehr, mal wieder „aufzuräumen“.
Dabei meine ich gar nicht mal die Wohnung, das Haus, das Grundstück. Die bringen sich allein durch den zeitlichen Ablauf wieder gern in Erinnerung. Spätestens wenn man nicht mehr frei treten kann. Oder wenn man in einer Staubwolke steht, weil man zu schnell durch den Raum gegangen ist.
Ich meine die Unordnung in uns selbst.
An der Stelle brauche ich niemandem den Spiegel vorzuhalten, sondern darf getrost bei mir selbst beginnen.
Wann habe ich eigentlich das letzte Mal „bei mir“ ausgemistet?
Diese Frage kam mir erst kürzlich in den Sinn, während ich „äußerlich“ am Um- und Ausräumen war. Innerhalb der Wohnung, auf dem Grundstück, „miste“ ich tatsächlich öfter aus, als in meinem Kopf.
Warum ist das so?
Ich meine, wenn ich Möbel rücke oder ein Zimmer tapeziere, muss ich mich doch auch anstrengen, denn von allein geschehen diese Arbeiten nicht.
Die Frage ist eher rhetorisch zu verstehen. Möbel haben nichts mit mir zu tun. Tapeten auch nicht. Aber sobald ich beginne in meinem Kopf aufzuräumen, wird es brenzlig. Dann bin ich gezwungen mich mit mir und vor allem meinem Verhalten zu beschäftigen.
Womit habe ich mich seit dem letzten Ausmisten befasst?
Welche Inhalte habe ich in meinen Kopf, meinen Geist, meinen Körper gelassen?
Welche Lasten trage ich (immer noch) mit mir herum?
Welche unliebsamen Maßnahmen muss ich ergreifen, um wieder „klar Schiff“ hinzubekommen?
Fragen, die unangenehm sein können – und es meistens auch sind. Warum sonst hätte ich sie so lange aufschieben sollen? Angenehme und beglückende Sachen brauchen keinen Aufschub.
Im Grunde genommen passt der Ausdruck ausmisten, auch wenn er aus der Viehwirtschaft stammt, sehr gut. In meinem Kopf habe ich über die Zeit viel zu viel Mist angesammelt. Und ich habe sträflicherweise zugelassen, dass er sich überhaupt hat ansammeln können!
„Früher“, also in meinen jungen Jahren, den Anfangszeiten meiner „EDV Karriere“, war der Begriff der „Garbage Collection“ noch sehr gebräuchlich. Der Tatsache geschuldet, dass damals die Rechenleistung, im Vergleich zu heute, nur sehr gering war und jeder etwas aufwändigere, zeitintensivere Prozess sich spürbar auf die Laufzeit eines Programmes auswirkte.
Mit jeder Speicheraktivität wurde die Anordnung der gespeicherte. Informationen verändert. Einiges fiel weg. Neues kam hinzu. Mal mehr. Mal weniger. Die Speicherschubladen konnten irgendwann nicht mehr fortlaufend hintereinander gefüllt oder geleert werden. Zusammenhängende Informationen lagen irgendwann so weit von einander getrennt, dass die Zugriffszeiten ein Limit überschritten. In diesem Moment kam die Stunde der „Garbage Collection“, der Müllsammlung. Der Computer legte eine Pause ein und ordnete alle belegten Speicherplätze so um, dass Informationen wieder zusammenhängend gespeichert und damit in optimaler Zugriffszeit auffindbar waren. Während dieser Aufräumphase wurden keine anderen Verarbeitungsprozesse zugelassen. Der Ablauf eines Programmes wurde kurzfristig gestoppt. Diese „Pause“ bekam der Anwender vor dem Computer zu spüren und musste einen kurzen Moment warten, bevor es weiter ging. Wie gesagt: Heute merken wir bei den schnellen Rechnern nichts mehr davon.
Ich bin sicher, dass mein Hirn hin und wieder auch eine „Garbage Collection“ braucht.
Einen Teil davon geschieht während des Schlafes. Dann werden Dinge bewertet, sortiert, gespeichert oder verworfen.
Vorausgesetzt, ich schlafe ausreichend. – Herausforderung Nummer 1.
Einen weiteren Teil kriege ich nur durch zwischenzeitliches Innehalten in den Griff. Ich habe etwas gelernt? Dann muss ich pausieren und es „sacken“ lassen. Kennen wir doch alle. Oder den Ausdruck: der Trichter ist voll. Wer den ganzen Tag ununterbrochen gelernt oder anderweitig Input bekommen hat, ist am Ende einfach erschöpft. Der Trichter ist voll. Es muss erst mal alles sacken, bevor Neues hinzukommt. – Herausforderung Nummer 2.
Beim Lernen kennt das jeder und beachtet es (hoffentlich) auch.
Und beim Rest des Lebens?
Wieviel Nützliches und – leider viel zu viel – Unnützes fülle ich Tag für Tag in meinen Trichter?
Gönne ich mir die notwendigen Pausen, um zu bewerten, zu sortieren, zu speichern oder zu verwerfen?
Schlafe ich genug, um die wunderbaren körpereigenen Eigenschaften zu nutzen?
Gönne ich mir keine „Garbage Collection“, kein Ausmisten, dann läuft der Trichter über. Nichts geht mehr.
Heißt heute Burn Out.
Schon mal gehört oder?
Ich weiß jedenfalls: ich habe noch viel zu lernen.
Zum Beispiel das Ausmisten.